Sonntag, 25. Oktober 2015

Die Webcam, die geplante Webcam - und warum Neuruppin so eine Scheiße nicht braucht.





„Schöne Seiten von Neuruppin“



2013 wurde so ziemlich still und heimlich in Neuruppin am Schulplatz eine Webcam installiert. Das sie da, genau vor meiner Haustüre, hängt und im Minutentakt jeden Schritt und Tritt auf dem Schulplatz aufnimmt, hätte ich nicht mitbekommen, wenn ich keinen Hinweis auf einer Facebookseite darüber gefunden hätte.


2013 habe ich mich von meinem damaligen Lebensgefährten getrennt. Das war nur mit Hilfe von Polizei und Amtsgericht möglich – und eigentlich auch nur hier. Alle Versuche, in der Beziehung die Kurve zu bekommen oder zu erklären, was nicht geht, haben nicht hingehauen. Alle Versuche, vorher von Freunden und Bekannten Hilfe zu bekommen, haben immer wieder nur drei Verhalten bewirkt: a) es wurde ihm brühwarm erzählt und wir hatten zu Hause danach die Hölle auf Erden, b) es kamen selbst von Frauen, von denen ich genau wusste, die haben auch eine Partnerschaft/hinter sich, in der sie ziemlich schlimmer Dinge erlebt haben, so glorreiche Tipps wie: „Dann musst du einfach nur nett im Bett zu ihm sein!“ oder „das musst du verstehen, der hat Stress im Job!“. Oder c) Ich wurde so fertig gemacht, das man kurz darauf vor allen Leuten die man kennt super zeigen konnte: "Seht ihr, die ist doch KRANK!". Ist schon komisch, was Menschen von sich geben, wenn furchtbare Sachen keine Schlagzeilen in der Boulevardpresse sind wo man laut tönt: „Boah, ICH HÄTTE DEM ABER...!“ , sondern der Verursacher im Freundes- und Bekanntenkreis zu finden ist. Dann ist plötzlich alles ganz anders. Dann muss man Verständnis haben. Der hat ja schließlich Stress im Job. Da darf der zu Hause auch dann mißhandeln und stolz werden noch Geschichten von seinen Gewaltexzessen erzählt und wie sehr man ihn dafür bewundert. Ist doch voll logisch – oder?


Drei Jahre lang habe ich mitbekommen, wie er andere Leute fertig gemacht hat. Am liebsten mit Hilfe seiner sehr hohen Computerkenntnisse – denn da ist der echt fit und hat durchaus auch oft herumgeprahlt, was er schon alles gemacht hat, das er beim CCC ziemlich aktiv war... aber die sind irgendwann wahrscheinlich dann „zu brav“ geworden. Die anderen zwei Wörter, die er sehr, sehr gerne benutzt hat sind: „Mein ANWALT“. Ja, der wurde regelmäßig in Anspruch genommen – hätte er alle bezahlen müssen, was der für ihn geregelt hat, hätte es wohl anders ausgesehen. Aber das ist eine der ganz speziellen Kanzleien gewesen, die genau wissen, welche Vorteile ihnen welche Mandanten bringen und die auch gerne die Mandanten untereinander vernetzt haben. Und so viel sei gesagt: Bestimmt nicht, damit die alle einen Heiligenschein bekommen. Wusstet ihr übrigens, das eine Firmengründung in Deutschland nach Gibraltar hin, in ungefähr zwei Stunden zum größten Teil erledigt ist? Toll was? Man braucht dort nicht vor Ort sein. Man kann ganz bequem sagen: „Kannst du mal bitte...“ und schwupps, natürlich kann ein versierter Anwalt einer kleinen eher unscheinbaren Kanzlei so etwas.


Aber wozu braucht man eigentlich eine Firma im Ausland? Na ja, um eine Umsatzsteuer-identifikationsnummer zu bekommen. Die ist seit einigen Jahren enorm wichtig und ohne so eine Nummer bekommt man zum Beispiel keine Kohle von einer anderen Firma für das, was man dort geleistet hat. So möchte der Gesetzgeber ein bisschen mehr die Geldwäsche kontrollieren und dafür sorgen, das Steuern gezahlt werden, mit denen Kindergärten, Schulen, Straßen, Altenheime und so weiter gebaut werden, Lehrer bezahlt werden und von denen auch Sozialleistungen wie Alg 2 und Kindergeld finanziert werden. Das Geld dafür fällt ja nicht vom Himmel. Auch wenn es ärgerlich ist, das viel Geld in eine Bankenrettung geflossen ist – dennoch brauchen wir eben solche Einnahmen um die „öffentliche Infrastruktur“ und eben auch solche Sozialleistungen für Menschen mit Kindern in Deutschland finanzieren zu können. Man sollte nicht stolz darauf sein, jemanden zu kennen, der Steuern „im Ausland“ bezahlt. Vor allem dann nicht, wenn hier Schulen, Horte und Kitas marode sind, wenn Straßen tiefe Schlaglöcher haben und das Rettungswesen aus Kostengründen ausgedünnt wird. Denn jemand, der zwar hier lebt und arbeitet, aber „Steuern im Ausland“ zahlt, sorgt mit dafür, das alles das so ist. Wer mal ein bisschen überlegt, sollte darauf kommen, das Menschen, die zwar hier die komplette Infrastruktur gerne nutzen und den großen Zampano spielen, aber von ihrem fünfstelligen Monatseinkommen dafür nicht einen Euro an Steuergeldern ausgeben wollen, damit sie so etwas nutzen können und es auch erhalten bleibt, die tatsächlichen Sozialschmarotzer dieser Gesellschaft sind.


Nach der Trennung, bei der ziemlich laut hier quer herumgebrüllt wurde, das ich einen an der Waffel hätte, das ich verrückt sei und eingesperrt gehöre, ER wäre der Spezialist und ER müsste sich GAR NICHTS SAGEN LASSEN ging es dann munter weiter und irgendwann erreichte mich die Nachricht, er wolle mich „final fertig machen“. Vielen Dank auch. Nachdem ihn irgendjemand von seinen Fans darauf hingewiesen hat, das es nicht gut wäre, das so stehen zu lassen, wurde es ergänzt mit „(juristisch gesehen)“. Da ich allerdings im Gegensatz zu vielen Leuten, die einfach nur cool finden, wenn jemand gut mit Computern kann, einen ausgefallenen Job hat und viel Geld verdient, weiß, mit wem ich es zu tun hatte (und habe...), wusste ich sehr genau, was es im Klartext heißt.


Mein Kind wurde wochenlang zur Schule begleitet und wieder abgeholt, ich habe das Haus ohne Hund oder sonstige Begleitung nicht mehr verlassen und mich bemüht, das keine Regelmäßigkeit aufkommt. Bei einer Gerichtsanhörung ist er, der mich „juristisch meine ich“ fertig machen wollte, nicht erschienen, hat vorher aber noch herumgetönt, „der Richter soll ihn erst mal finden“. Fand der Richter dann nicht so lustig – aber außer einer Psychotherapeutin, zu der ich sollte, weil er mich für verrückt erklärt hat, hat mir niemand vorher so wirklich geglaubt, was da tatsächlich abgeht, wenn die Wohnungstüre zu ist und weil ich ziemlich viele Beweise vorlegen konnte und es ein recht akutelles Urteil gegen ihn gab, hat er mir geglaubt. Ich habe vor Dankbarkeit Rotz und Wasser geheult und konnte es kaum fassen.


Den Blog „Ruppi-Struppi“ gibt es eigentlich nur deshalb, weil ich lernen wollte, wieder auf die Füße zu kommen. Weil ich mein zerstörtes Selbstbewusstsein aufbauen wollte – und ein Blog bot mir die Möglichkeit, etwas für Andere zu tun – und immer dann, wenn es mir nicht gut ging auf Distanz zu gehen. Wie sich Ruppi-Struppi entwickelt, habe ich nicht einmal annähernd geahnt, wie unglaublich er mir hilft, auch nicht. Das, was passiert ist, wird immer Teil unseres Lebens sein – meistens gelingt es mittlerweile, damit gut umzugehen. Aber nicht immer. Wenn wir manchmal daran denken, was von unseren Sachen alles weg ist, ist das sehr traurig. Vieles kann man zwar neu kaufen – aber es wird nie genau das sein, was man verloren hat. Es war sehr schwer, zu lernen aus dem Haus zu gehen. Das haben viele oft nicht mitbekommen. Erlebnisse wie das neben mir ein Plastikgeschoss in den Boden einschlägt oder zwei Leute sehen, wie ich aus dem Haus komme und sich beeilen, eine Pistole aus der Hecke zu ziehen und zu verschwinden sind Momente gewesen, wo ich einfach nur noch losgerannt bin und vor lauter Panik oft nicht mehr wusste, was ich eigentlich tun soll. Wo ich gerannt bin, bis ich dachte, es zerreißt mir die Lunge, bevor ich heulend über Farino zusammengebrochen bin. Hilfe in Deutschland besteht sehr oft aus vielen tollen Worten wie betroffen man ist. Selten aus mehr. So gut wie nie aus einer Nachfrage, wie es einem jetzt eigentlich geht. Ich liebe diese Stadt und finde sie toll. Aber ich kenne eben auch ihre ganz hässlichen Seiten - und damit sind nicht die unsanierten Häuser in der Altstadt gemeint.


Falls jemand jetzt denkt. „Aber wir haben hier doch ein...“, ja, wir haben hier eine Anlaufstelle für Frauen. Da war ich auch. Aber da hieß es vor allem: „Du bist soooo stark, das schaffst du alles ganz alleine!“. Dann habe ich mitbekommen, wieviel anderen geholfen wird, die dort sind – während bei mir das Telefon immer nur geklingelt hat, wenn „kannst du mal helfen“ gefragt war. Gerne kurzfristig und mit einem hahahahaha und nie mit der Frage: „Wie geht es euch jetzt eigentlich?“.


Wer mit so einem hochspezialisierten Computermenschen zusammen ist, der bekommt eine ganze Menge mit von dem, was möglich ist. Mein Rechner läuft auf Linux. Das war angeblich notwendig, als wir noch zusammen hier in der Stadt gewohnt haben, damit er ein verstecktes Funknetz aufbauen kann. Auf die Frage, warum er das machen will kam als Antwort: „Damit ich mich bei den anderen reinhacken kann und sie es nicht merken!“. Wisst ihr übrigens, das es möglich ist, in 20 Minuten ein Programm zur Betriebsspionage zu schreiben, das große Datenpakete auf verschiedene Speichermedien aufteilt? Falls ihr euch je gewundert habt, wie Plagiatsfirmen im Ausland an unveröffentliche Daten kommen: man nehme die Speicherkapazität von MP3-Player, Smartphone, Kamera, Laptop und was es noch so an elektronischen Sachen gibt, die man unbedingt mit ins Ausland nehmen muss und dann baue mit Hilfe eines kleinen Programms ein Datenpuzzle.


Ebenso ist es für einen etwas versierteren Menschen total einfach, ein Programm zu schreiben, das sich automatisch Bilder eine Webcam zieht und diese mit Datum und Uhrzeit versieht. Dann hat man letztlich auch aus einer Taktung von einer Minute einen Film. Macht man das ein paar Tage hintereinander, kann man so Regelmäßigkeiten feststellen – und das nächste kleine Programm durchforstet den Film dann nach Regelmäßigkeiten, die nicht statisch sind. Also nach alles, was auf dem Grundbild irgendwann dazu kommt und verändert, aber eben auch immer wieder gleich ist. Die Oma auf dem Wochenmarkt zum Beispiel, die mit dem Rollator langsam unterwegs ist. So langsam, das es mit relativ wenig Aufwand aber hoher krimineller Energie möglich ist, herauszufinden, wann man ihre Wohnung plündern kann. Oder wann sie zur Bank geht, um ihr danach das Geld aus der Hand zu reißen. Die Webcam selbst zeichnet ja nicht auf – sie überträgt nur Bilder, die frei für jeden Menschen überall auf der Welt zur Verfügung stehen.


Und ja, man kann mit Webcams schöne Plätze zeigen. Aber muss man unbedingt dabei eine Taktung von einer Minute haben – oder von drei Minuten? Warum? Reicht nicht jede halbe Stunde oder Stunde ein Bild, was es fast unmöglich machen würde, Bewegungsprofile zu erstellen? In Neuruppin reicht so etwas bei der Webcam nicht. Da helfen auch keine Argumente, warum es nicht gut ist, so eine enge Taktung zu haben. Dann bekommt man von demjenigen, der das angeleiert hat nämlich die Antwort: „Man kann es eben nicht jedem recht machen!“ - was im Klartext auch heisst, wem das nicht passt, der soll vom Schulplatz weg bleiben. Bis heute ist nirgendwo auf dem Platz ein Hinweis auf diese Kamera zu finden. Seit fast drei Jahren nicht!


Ein anderes Argument, das gerne genommen wird ist: „Der Landesdatenschutz hat gesagt, das ist in Ordnung, man erkennt keine Gesichter“. Mal so vor allem an die Eltern die hier lesen – wenn ihr eine Kindergruppe von hinten seht – wisst ihr, welches euer Kind ist auch wenn ihr das Gesicht nicht erkennen könnt? Und woran erkennt ihr es? Genau! An seiner Körperhaltung, an seiner Größe, ihr kennt die Haarfarbe und Frisur oder die Mütze, ihr kennt die Jacke und die Tasche. Um aus einer Gruppe von Kindern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit euer Kind herauszufinden, braucht ihr nicht unbedingt das Gesicht des Kindes, das letztlich ja auch nur einen Bruchteil vom ganzen anderen Rest ausmacht. Wer auf der Suche nach einem bestimmten Menschen ist, findet diesen Menschen, ohne ihm ständig ins Gesicht zu schauen und er braucht dafür auch keine durchgehend bewegten Bilder.


Neuruppin hat ein Frauenhaus. Dort finden Frauen Zuflucht, die zum Teil von ihren Lebensgefährten weg mussten, weil sie sonst nicht überlebt hätten. Wusstet Ihr übrigens, das ungefähr jeder 3. Todesfall einer Frau in Deutschland irgendwie eine Beziehungstat ist? Und das es Frauen gibt, die keinen anderen Ausweg in ihrem Leben mehr sehen, als sich vor lauter Angst vor ihrem Ex umzubringen? Einige dieser Suizide sind ganz klar damit begründbar. Aber es gibt in dem Bereich auch eine Dunkelziffer. Und es wird befürchtet, das die verdammt hoch ist. Frauen vom Frauenhaus nutzen den Schulplatz. Sie kaufen dort auf dem Markt ein, sie lassen ihre Kinder dort am Brunnen spielen, sie trinken dort Kaffee... und sie werden von der Kamera erfasst. Wie zynisch und menschenverachtend muss mann (!) sein, um dann zu sagen: „Die haben dann halt Pech gehabt!“? Hauptsache mann (!) kann sich damit brüsten, die Webcam initiiert zu haben? Was für ein Frauenbild hat so ein Mensch eigentlich?


Nun habe ich heute eine Meldung gefunden, er hätte gerne eine Webcam am Bollwerk. Ja, das will er schon lange. Aber... es geht dieses Mal nicht so einfach wie beim letzten Mal, wo einfach alle Leute vor vollendete Tatsachen gestellt worden sind, sondern es gibt Widerstand. Aktuell läuft auf seiner FB-Seite „Was haltet ihr davon?“ - und bis auf meine Wenigkeit sind bislang alle begeistert. Meine Einwände wurden von einer Norwegerin mit „Hast du keinen Friseur?...“ beantwortet, Neuruppin wäre prüde, in Norwegen laufen Livecams und alle sind glücklich. Tatsächlich? Oder will man immer nur sehen, was man sehen möchte, nämlich die „ach guck mal, wir können da Onkel Otto in Norwegen gucken... der hat sich grad gemeldet, wir sollen mal auf die Cam schalten, dann winkt der!“-Version. Natürlich möchte jeder nur die guten Seiten einer Sache sehen. Aber so eine Webcam hat eben gerade mit einer extrem engen Taktung auch Schattenseiten.


Jeder, wirklich jeder kann von überall auf der Welt darauf zugreifen. Ohne jegliche Kontrolle. Anwählen reicht. Während so potentielle Kriminelle sich brav Filmchen drehen können, zeichnet die Cam selbst nichts auf. Es wird nichts gespeichert, kommt ein neues Bild, ist das alte weg. Im Unterschied zu SINNVOLL eingesetzten Überwachungskameras, deren Zweck vor allem ist abzuschrecken und durch Aufzeichnung bei Straftaten nachweisen zu können, was eigentlich passiert ist ist eine Webcam nur eine einseitige Bilderübermittlung ohne jeglichen weiteren Sinn und Zweck als „einen schönen Platz zu zeigen“ - und je nach Attraktivität dieses Platzes ob der Leute die dort sind oder des Ausschnittes, der dort gezeigt wird, Leuten mit Fähigkeiten wie mein Ex sie hat, und krimineller Energie Tür und Tor zu öffnen. Und ja, wer bislang immer relativ behütet aufgewachsen ist und vielleicht nur ab und an mal den Tatort „das ist ja ein KriminalROMAN...“ schaut oder Henning Mankell (RIP) gelesen hat, der kann sich nicht unbedingt vorstellen, das so ein Teil tatsächlich eine Schattenseite hat und Menschen sich bedroht und überwacht fühlen können, weil es das Ding gibt.


Was wäre also mit einer Webcam am „schönen Bollwerk“, wie jetzt gewünscht wird? Nun, zum Beispiel hat das Seehotel ja nicht gerade selten auch Gäste von Rang und Namen, die dort buchen, weil sie wissen, sie sind dort recht unbehelligt. Es gibt Promis, die nutzen die sehr frühen Morgenstunden um Sport zu machen, weil sie wissen, das sie es dann machen können ohne ständig angequatscht zu werden oder das dann eine Kamera klickt. Wie fänden es solche Leute wohl, wenn im Minutentakt Bilder „vom schönen Bollwerk“ gemacht werden und man sie damit verfolgen und ihr Handeln ausspionieren könnte? Bestimmt doch voll super – oder?


Dito andere Menschen mit besonders hohem Schutzbedürfnis. Haben wir dort nicht einen süßen Kinderspielplatz? Boah, der muss da unbedingt mit drauf. Egal ob man da dann Mütter sieht, die im Frauenhaus oder in geschützten Wohnungen leben und die ihren Kindern ein paar unbeschwerte Minuten gönnen wollen oder ob jemand feststellt, immer um 11:20 kommt die Mutti mit dem süßen langhaarigen blonden Mädchen... immer. Fällt doch gar nicht auf, wenn da plötzlich jemand in der Nähe auf einer Bank sitzt und das Kind beobachtet – oder?


Oder hätte man gerne die alten Herren mehr unter Kontrolle, die sich jeden Tag dort zu ihrem Schwätzchen treffen? Wie lange die wohl von zu Hause weg bleiben? Hey, und wie praktisch, der Schäferhund ist auch nicht zu Hause! Oder geht es um die jungen Leute, die sich dort treffen, Bier trinken, Shisha rauchen und im Sommer gerne auch mal mit Gitarre und Mundharmonika auftauchen? Was halten die denn wohl davon, mit so einer Kamera von wem auch immer ohne jegliche Kontrolle überwacht werden zu können?


Wir haben in Neuruppin sehr, sehr viele schöne Ecken. Die sind alle sehenswert. Aber von keiner dieser Ecken braucht man jede Minute oder alle drei Minuten ein Bild um zu zeigen, wie toll diese Ecke ist. Da reicht ab und an mal ein Bild. Ab und an. Wer Menschen diese tollen Ecken nahe bringen will um ihnen zu zeigen: „Guck, so sieht es hier gerade in deiner Heimat aus!“ oder auch „Mensch, guck doch mal, komm mal her, mach Urlaub hier, lohnt sich!“, der braucht dafür keine Webcam mit nur zwei Motiven. Der kann auf die Seite „Neuruppiner-Bilderbogen.de“ verweisen. Auf „Bibo Ruppin“ bei Facebook oder auf die Gruppe „Du weisst, du bist Ruppiner wenn...“. Der kann auf youtube Neuruppin eingeben und findet viele, viele Filme, der kann auf Ruppi-Struppi verweisen, wo auch mitunter tolle Landschaftsbilder sind und sogar von der Stadt erzählt wird oder was auch immer.


Wer gegen so eine Kamera ist, möge das bitte in diesem Fall ganz konkret kund tun. Nicht, das es nachher wieder heißt: „Aber die haben das alle gewollt!“ - und im Endeffekt ist „alle“ ein kleiner Haufen, von dem mindestens die Hälfte gar nicht genau weiß, worum es eigentlich geht – der aber eben kein Problem damit hat, klipp und klar zu sagen: „WIR WOLLEN DAS JETZT ABER SO!“ während alle anderen lieber rumeiern und um labbrige Diplomatie „na jaaaa, es wäre wohl nicht so gut weennnnn...“ bemüht sind und denken, ihre tatsächliche Meinung „Was soll der Scheiß“ plingt wie so eine Leuchtschrift schon von ganz alleine über ihrem Kopf auf und ist klar ersichtlich.


So, entschuldigt. Das war jetzt sehr lang. Aber es ist mir WICHTIG gewesen, das ihr wisst, wie Leben in Deutschland auch sein kann. Und schön, das in Norwegen so eine heile Welt ist. Das es dort keine Menschen gibt, die besonderen Schutz bedürfen, keine Cyberkriminellen, bis aufs Mark erbosten Ex-Lebensgefährten, sondern alle immer nur lieb und nett zueinander sind. Ein lieber Mensch sagte mir heute zum Artikel über die Nazi-Demo, das es sehr mutig wäre, so etwas zu schreiben. Ich habe ihr geschrieben, das ich vielleicht irgendwann blutend irgendwo in einer Ecke liege.


Vielleicht. Macht entsteht immer dann, wenn jemand einen Weg findet, jemand Anderen zu unterdrücken und einzuschüchtern, zu quälen und zu bedrohen. Manch einen Menschen hat sein Mut, etwas zu versuchen, durchaus schon das Leben oder zumindest die Unversehrtheit gekostet. Andere haben gelernt, das es sich durchaus lohnen kann, mutig zu sein. Das es nicht immer einfach ist, sehr oft auch mit viel Angst verbunden ist – aber hey... wären nicht immer irgendwann irgendwelche Menschen mutig gewesen, würden wir immer noch glauben, die Erde wäre eine Scheibe. Es wäre noch nie ein Mensch auf dem Mond gewesen und auch Flugzeuge würde es nicht geben. Wäre nicht irgendwo jemand mutig gewesen – wir wüssten heute noch nichts von der NSA-Überwachung und würden NSU vielleicht für eine alte Mopedmarke halten.


Ich für mich habe irgendwann beschlossen, kein Daueropfer für alle möglichen Blödmänner und -frauen mehr zu sein. Und ja, das ist mitunter anstrengend, weil es bedeutet, sich selbst mehr zu informieren als vorher, über den Tellerrand zu gucken und zu hinterfragen. Aber man wird weit weniger verarscht und allein das hebt enorm die Lebensqualität.





































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